#110 «ALLTAGS- UND ANDERE GRÜBELEIEN» – Lesung von IVO LEDERGERBER
Zu Ivo Ledergerbers 80sten Geburtstag machtE sich der Autor ein Geschenk: 51 Gedichte, die sich in den letzten Jahren ansammelten, nicht zuletzt in seinem „Ivo-Blog“, auf dem der Dichter jede Woche ein Gedicht veröffentlicht. So war in diesem Frühjahr der „Raum für Literatur“ in der St. Galler Hauptpost restlos besetzt, als der Autor zusammen mit seinem Dichterfreund Richard Butz seinen neusten Gedichtband aus der Taufe hob.
Ivo Ledergerber grübelt gerne, hängt seinen Gedanken nach, erst recht mit 80, in einer Lebensphase, in der man Zeit hat, Zeit, die endlich wird. Liebe und Tod sind denn auch die Pole, zwischen denen der Leser pendelt, von einem Anfang her zu einem Ende hin, von beiden nur ahnend. Das Bewusstsein der Vergänglichkeit sei ein Teil dieses Pendelns. Es sei in seinem Alter unmöglich so zu tun, als betreffe einem das nicht.
Viele Gedichte entstanden aus dem Moment, mitgenommen von Spaziergängen, Augenblicken, nach innen und nach aussen. Sprachskizzen, Zeichnungen in Worten, als wäre er kurz in der Zeit stehen geblieben, um den Moment mit Sprache einzufangen.
Dreiweihern
Auf dem Balkon über dem Pissoir
eine tote Fliege
auf dem Rücken
die Beine gereckt
betend
voller Inbrunst
schöner ist nicht
für den Sommer zu danken
(aus „Alltagsgrübeleien“ von Ivo Ledergerber, Waldgut Verlag, 2018)
Er brauche Anfänge, an die sich weitere Sätze heften, immer mehr, bis sich nach dem Sammeln der Kamm über den Text hermacht und hinausstreicht, was nicht passt oder schlicht zu viel ist. In seinen Gedichten spiegeln sich aber nicht bloss Augenblicke und Ein-Sichten, ebenso sehr Schreib- und Entstehungsprozesse, die weit über das „Dichten“ hinausgehen. So wie der Vogel am Waldweg, die tote Amsel ihn im Schreiben festhält, so verhilft er dem toten Vogel noch einmal zu einem wortgewaltigen Höhenflug.
„Wir verschwinden lesend in unsterblichen Texten.“
Und doch ist den Gedichten das Alter des Dichters anzumerken, was auch so sein soll, wenn zwischen Wehmut, hinter lauten Sätzen, die Demut glänzt. Er fliegt mit Dohlen über Schluchten und Berge, huldigt der Freiheit des Denkens mit Sprache, die ihn durch die Lüfte trägt.
Ivo Ledergerber (1939) studierte in Mailand, Innsbruck und Konstanz Theologie, Deutsche Literatur und Erziehungswissenschaft. Bis 1999 arbeitete er als Mittelschullehrer in St. Gallen. Durch seine Schreibaufenthalte in Rom und Krems und seine Teilnahme an internationalen Literaturkongressen knüpfte der mehrsprachige Autor Kontakte zu Dichtern in Kosova, Mazedonien, Albanien, Italien, Tunesien, Algerien, Spanien, Frankreich und Polen. Ivo Ledergerber lebt und arbeitet in St. Gallen.
(Textquelle: literaturblatt.ch, Portraitbilder 1: Eugen Bode, Berlin
Donnerstag, 14. November 2019, 19.30 Uhr (Türöffnung: 19 Uhr)
Freier Eintritt – Kollekte
Platzreservation: reservation@parterre33.ch
Sie erhalten eine Reservationsbestätigung per Mail. Beachten Sie bitte, dass wir aufgrund der sehr beschränkten Platzzahl darauf angewiesen sind, dass Ihre Reservation verbindlich ist. Sollten Sie an der Veranstaltung nicht teilnehmen können, teilen Sie uns dies 24 Stunden vorher per Mail mit, damit wir die Plätze wieder frei geben können und der Künstler möglichst keinen Einnahmenausfall hat.